Wörterbuch-Saar-Lor.de“

Konzept, Erstellung und Beispiele für die Benutzung

 

Vorbemerkung:

Es gibt Menschen, die sagen, ich brauche überhaupt kein Wörterbuch, ich fahre in das Land und lerne dort die Sprache. Das ist gut so, wenn man diese Chance hat und sie intensiv wahrnimmt. Meine persönlichen Erfahrungen aus vieljähriger Beschäftigung mit dem Thema haben mich gelehrt. Ein Wörterbuch ist unverzichtbar. Vor allem dann, wenn ich meine fremdsprachliche Kompetenz über die ‒ natürlich sehr wichtige ‒ ganz einfache Alltagskommunikation hinaus (Wetter, Fragen nach dem Weg, Einkaufen, Restaurant etc.) entwicklen möchte. Dazu ist die systematische und strukturierte Vermittlung eines ausgedehnten Wortschatzes unerlässlich.

 

Warum dieses Wörterbuch mit diesem Namen?

Weil es Ihnen als GrenzbewohnerIn in unmittelbarer Nachbarschaft zu Lothringen die grenzüberschreitende Kommunikation in französischer Sprache mit Ihren Nachbarn erleichtern soll. Es ist und wird für jene SaarländerInnen gemacht, die das Gespräch oder den schriftlichen Austausch in französischer Sprache mit ihren französischen Nachbarn aktiv suchen. Sie fahren also „rüber“ und erwarten dort nicht, dass Ihnen der französische Gesprächspartner mit seinem lothringischen Deutsch aus der Patsche helfen kann. In den kommenden Jahren und Jahrzehnten wird dies immer weniger möglich sein wegen der abnehmenden Zahl der Deutschsprecher in der Nordosthälfte des Departement Moselle. In Metz ist es sowieso nicht möglich. Es ist für jene SaarländerInnen gedacht, die sich mit ihren französischen Gesprächs- oder SchreibpartnerInnen über Themen und Probleme des Alltags austauschen (weitere Einzelheiten zu den Sachbereichen weiter unten). Der grenzübergreifende Austausch über Alltagserfahrungen stellt eine wunderbare Möglichkeit dar, das eigene Leben zu bereichern.

 

Was für ein Wörterbuchtyp ist es?

Es ist ein sogenanntes „aktives Wörterbuch“ für den deutschen Muttersprachler: Es möchte dessen französische Sprachproduktion (Sprechen und Schreiben) fördern. Diese grundsätzliche Entscheidung für eine ganz bestimmte Wörterbuchfunktion hat erhebliche Auswirkungen auf die gesamte Anlage des Wörterbuchs.

 

Wie hat man sich die französische Sprachproduktion eines deutschen Muttersprachlers vorzustellen?

Sie, als deutscher Muttersprachler / deutsche Muttersprachlerin haben ein Thema / einen Sachverhalt im Kopf, über das / den Sie in französischer Sprache in einem zeitlich vor Ihnen liegenden Gespräch etwas sagen möchten oder über das Sie in einer schriftlichen Mitteilung etwas schreiben möchten. In der Regel steht dafür ein bestimmtes Wort zur Verfügung. Beispiel: Sie möchten/müssen über das Thema ‚Radargeräte‘ oder ‚Überholen‘ sprechen oder etwas schreiben. Der Produktionsvorgang „startet“ mit der Suche von deutschen Wörtern, die zu diesem Thema passen. Das Startinstrument hierfür ist der alphabetisch geordnete D > F Index. Mit dem Curser können Sie sich in dem Index von A bis Z bewegen. Der Index ist so aufgebaut, dass sich neben den deutschen Wörtern ein französisches Wort oder mehrere französische Wörter befinden. Die französischen Wörter sind alle unterstrichen. In einer ersten Reaktion werden Sie diese französischen Wörter als Übersetzungen betrachten. Die ihnen zugedachte Funktion besteht aber nicht wirklich darin. Sie sollen Ihnen vielmehr als „Eingangstür“ in den entsprechenden französischsprachigen Sachbereich im Wörterbuchteil dienen. In diesem Sachbereich bzw. in einem bestimmten Teilbereich desselben wollen Sie sich sprachlich fit machen. Diese Eingangstür öffnen Sie, indem Sie auf das von Ihnen gewählte unterstrichene Wort klicken.

In unserem ersten Beispiel, cursern Sie also bis zu dem Wort Radar(gerät) (alle Versionen) - radar. In der Klammer finden Sie die Information, dass Sie zu allen Versionen von Radargeräten mit französischem Sprachmaterial versorgt werden. Unter Radar(gerät) (alle Versionen) finden Sie noch die folgenden Wörter zu dem gleichen thematischen Bereich:

Radarfoto - photo du flash

Radarkasten - cabine radar

Radarpistole - pistolet radar

Radarsäule - radar tourelle

Radarwarner - détecteur de radar, avertisseur de radar, mouchard de radar

 

Im zweiten Beispiel cursern Sie im Index bis zu dem ersten Wort, das in einer Beziehung zur Thematik ‚Überholen‘, steht, also bis Überholabschnitt. Darunter finden Sie noch eine ganze Anzahl weiterer Wörter zum Thema ‚Überholen‘:

Überholabschnitt - créneau de dépassement, tronçon de dépassement, zone de dépassement

überholen - dépasser1, doubler

überholen, rechts - - dépasser par la droite, doubler à droite

Überholen - dépassement, doublement1

Überholmanöver - dépassement, manoeuvre de dépassement

Überholspur - voie rapide, voie de gauche, voie de dépassement

Überholstrecke - zone de dépassement

Überholverbotsschild - panneau d'interdiction de dépasser / de doubler

Überholversuch - tentative de dépassement

Überholvorgang - dépassement

 

Welche weiteren Eigenschaften des Wörterbuchs tragen dazu bei, um speziell die aktive Verwendung der französische Sprache zu fördern?

Fünf weitere Eigenschaften tragen hierzu bei.

Die drei ersten Eigenschaften basieren auf der Überzeugung, dass eine möglichst enge Verzahnung von Sprachwissen und Sachwissen die aktive Sprachkompetenz fördert. Sachwissen bringt überschaubare Strukturen in den Ozean der Wörter. Diese Strukturen erleichtern das Behalten / das Speichern von Wörtern und steigern damit die Fähigkeit, Wörter schneller zu „finden“, also abzurufen und zu aktivieren. Diese schnelle Wortfindung ist eine wesentliche Voraussetzung für die aktive Verwendung von Sprache.

Die vierte und fünfte Eigenschaft sind rein sprachlicher Natur.

 

Die erste Eigenschaft ergibt sich aus der Überlegung, welcher Grad von Sachwissen oder Fachlichkeit Eingang in das Wörterbuch finden soll. Die Entscheidung fiel zugunsten eines mittleren Grades. Das Wörterbuch möchte einen wichtigen lexikalischen Bereich zwischen einer inhaltlich anspruchslosen und einer fachlich äußerst anspruchsvollen in der Regel professionnellen Kommunikationsebene abdecken. Sehr typisch für den ersten Bereich ist z.B. das Reisewörterbuch, für den sehr fachlichen Bereichen wird dagegen zum Fachwörterbuch oder speziellen Fachglossaren gegriffen. Unser Wörterbuch legt den Akzent auf einen mittleren Fachlichkeitsgrad. Warum? Weil, auch die sogenannte Alltagskommunikation in nicht unerheblichem Maße auf spezifsches Sachwissen zurückgreift. Sprechen Sie über Regelungen der Müllabfuhr und der Abfalltrennung, Ihre Autoversicherung, über Gartenkompostierung, Vorstandswahlen, den Gemeindehaushalt etc. Sie werden schnell erkennen, hier spricht der „fachliche Laie“ in einem positiven Sinn.

 

Die zweite Eigenschaft schlägt sich im vorgesehenen Gesamtaufbau des Wörterbuchs nieder. Es ist nach Sachbereichen gegliedert. Jeder Sachbereich wird in einem Teilwörterbuch abgehandelt werden. Der erste Sachbereich, also das erste jetzt vorliegende Teilwörterbuch, ist dem Straßenverkehr gewidmet. Er ist ausgearbeitet. Der zweite Sachbereich betrifft die Müllabfuhr und Abfallverarbeitung. Er ist in Bearbeitung. Weitere Sachbereiche sind vorgesehen und werden das Wörterbuch nach und nach erweitern, z.B. Kommunale Verwaltung und Aufgaben, Gesundheitsbereich, Sozialer Bereich, Kleinkriminalität, Vereinswesen etc. Die ausgewählten Sachbereiche haben sich aus einer intensiven Lektüre der Zeitung „LE RÉPUBLICAIN LORRAIN“ über einen ausgedehnten Zeitraum herausgeschält. Sie eröffnen Begegnungsräume für Menschen diesseits und jenseits der deutsch-französischen Grenze. Der Name „Woerterbuch-Saar-Lor“ findet in dieser Zielsetzung seine wesentliche Begründung. Der deutschsprachige Benutzer ist also eingeladen, sich in diese Bereiche hineinzubegeben, um zum aktiven Gesprächs- und Schreibpartner seines französischsprachigen Gegenübers werden zu können.

 

Bei der dritten Eigenschaft geht es um die Präzisierung und Verfeinerung der sachlichen Beziehungen innerhalb der jeweiligen großen Sachbereiche, welche sich aus der Bearbeitung des Républicain Lorrain ergeben. Dieser Vorgang geht einher mit einer erheblichen Erweiterung des Sprachmaterials. Die Lektüre sachbereichsbezogener französischsprachiger Publikationen und unzählige gezielte Internet-Recherchen in originalsprachlichem französischem Textmaterial ermöglichen diesen Vorgang. Wenn Sie sich z.B. in dem Teilwörterbuch „Straßenverkehr“ in den Artikel accident hineinbegeben, entdecken Sie darin eine Vielzahl von Verweisen, angezeigt durch ein schwarzes Dreieck ►. Hinter einem solcher Dreiecke finden Sie dégât matériel (Sachschaden), dommage corporel (Personenschaden), suraccident (Folgeunfall), constat d’accident (Unfallbericht) u.v.a.m. Klicken Sie auf diese Wörter, gelangen Sie sofort in den entsprechenden Artikel. Dort finden Sie wieder Verweise usw. Sie können sich also an sachlichen Beziehungen entlang durch das gesamte Teilwörterbuch bewegen, wenn Sie das möchten. Gerade diese typische Eigenschaft eines aktiven Wörterbuchs verdeutlich sehr gut, dass es nicht um die kurze punktuelle Konsultation (das kurze Nachschlagen) geht, vielmehr lädt es zur zeitlich ausgedehnten Konsultation ein.

 

Die vierte und fünfte Eigenschaft sind im Gegensatz zu den drei vorgenannten nicht sachlicher sondern sprachlicher Natur.

Die vierte Eigenschaft beruht auf der Überlegung, dass eine normgerechte

aktive Sprachkompetenz sich nur aus originalsprachlichem Textmaterial heraus entwickeln kann.

Damit wird jede Art von übersetztem französischem Sprachmaterial ausgeschlossen. Warum? Weil sich in Texte, die IN die Fremdsprache übersetzt werden, selbst bei besten Kenntnissen der Fremdsprache muttersprachlich geprägte Erfahrungen, Vorstellungen, Formulierungsmuster einschleichen. Ein Beispiel: Es ist kaum wahrscheinlich, dass selbst ein sehr guter Übersetzer mit deutscher Muttersprache für die Leuchtanzeige der Geschwindigkeit am Eingang einer französischen Gemeinde das Wort radar pédagogique wählen würde. Das Gerät zeigt dem Autofahrer die im Moment gefahrene Geschwindigkeit an. Ein Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit führt nicht zu einer Bestrafung, daher der Name. Die erzieherische Absicht steht bei der französischen Wortwahl im Vordergrund. Nicht selten steht ein „bestrafendes“ Radargerät, un radar répressif, in einiger Entfernung hinter dem „pädagogischen Radargerät“. Wer nicht folgsam ist, wird eben bestraft. Hier zeigt sich, wie in ein Wort gesellschaftlich geprägte Sanktionsvorstellungen einer Sprach- und Kulturgemeinschaft einfließen. Für die Rettungsgasse gibt es in Frankreich keine Entsprechung, weil es diese Regelung nicht gibt. Die Schweizer, Belgier und Luxemburger haben sehr wohl eine Rettungsgasse, un couloir de secours. Mit dem Reißverschlusssystem ist es ähnlich. In Luxemburg und Belgien spricht man von système tirette, in Frankreich gibt es offenbar kein entsprechendes Wort. Realitäten funktionieren ganz einfach anders in Ländern und das schlägt sich sprachlich nieder. Aber auch die alleinige Betrachtung von Realität ist perspektivisch, das heißt unterschiedlich. Selbst bei extrem fachsprachlichen Begriffen von technischen und wissenschaftlichen Disziplinen lässt sich dies beobachten. Das soll hier nicht vertieft werden. Ein anderes banales Beispiel: das deutsche Wort Führerschein Klasse 3 ist eben nicht un permis classe 3. Im französischsprachigen Kanada ist es üblich, aber inhaltlich nicht vergleichbar mit dem unsrigen. In Nancy sollten Sie dagegen das Wort un permis B gebrauchen. Wörter sind auch Träger von ganz spezifischen Bild-und Klangvorstellen. Tatütata klingt im Französischen pin-pon pin-pon, und die Dauerparker in Saargemünd sind die voitures ventouses, so wie sich ein Saugnapf irgendwo festsaugt. Wörter sind eben keine Hülsen, die beim Übersetzen gegeneinander ausgetauscht werden. Es kommt in der Tat weniger darauf an, was draufsteht, als das, was drinsteckt. Fazit: um von einem Sprach- und Kulturraum in einen anderen Sprach- und Kulturraum „überzusetzen“, kommt man mit einem einfachen „Übersetzen“ sehr oft nicht wirklich auf der anderen Seite an.

Zur Übersetzungsproblematik noch folgende abschließende Bemerkung: die beste erreichbare Übersetzung ist nur in der HERübersetzungsrichtung möglich. Sie erfolgt also aus der Fremdsprache in die Muttersprache. Dieses Prinzip ist in dem Wörterbuch konsequent befolgt. Es beinhaltet konsequenterweise, dass der üblichen Formulierung der Vorrang vor der wortgetreuen Übersetzung gegeben wird.

 

Die fünfte Eigenschaft besteht darin, dass die alphabetisch angeordneten fett gedruckten Eingangswörter der jeweiligen Wörterbuchartikel in vielen Beispielen verwendet werden. Sie erscheinen eingebettet in viele typische Kontexte. Nehmen wir das Wort accident. In dem entsprechenden Artikel finden Sie u.a. un accident responsable – ein selbstverschuldeter Unfall, je suis responsable de l’accident – ich habe den Unfall verursacht, l’accident a impliqué deux voitureszwei Autos waren an dem Unfall beteiligt, un accident de la circulation s’est produit / est survenu / s'est déroulé / a eu lieu sur la RN 31 / rue des Alliés   ein Verkehrsunfall ereignete sich / trug sich zu / geschah auf der Nationalstraße 31 / in der rue des Alliés u.v.a.m. Vielfältige Einbettungen erleichtern Ihnen die tatsächliche Verwendung.

 

Kritische und weiterführende Bemerkungen zum Wörterbuch

Es gibt kein vollkommenes Wörterbuch. Auch dieses ist es nicht. Verbesserungsfähig ist der spontane orale Charakter des Wörterbuchs. Hierzu müsste ausgedehntes gesprochenes, originalsprachliches Textmaterial aufgezeichnet und bearbeitet werden. Eine gigantische Arbeit, die die Arbeitskapazität des Wörterbucherstellers weit überschreitet. Möglichkeiten der akustischen Sprachausgabe könnten noch genutzt werden.

Eine tolle Ergänzung und Abrundung fände das Wörterbuch, wenn sich auf französischer Seite ein „Wörterbuchmacher“ fände, der aus dortiger Perspektive die gleiche Arbeit für die französischen Benutzer verrichten würde. Er müsste also mit der intensiven Lektüre der Saarbrücker Zeitung beginnen. Daran würden sich dann die Arbeitsetappen anschließen, die oben beschrieben sind.